EINE HEIKLE SACHE, DIE SEELE
von DimitrŽ Dinev
(Strichfassung TCD 11/08)
Personen:
Nikodim Stavrev, ein toter Bauarbeiter, bulgarischer Herkunft
Pavlina Stavreva, seine Ehefrau, Beruf Reinigungskraft, bulgarischer
Herkunft
Josef Schutt, Vorarbeiter am Bau, …sterreicher
Bora Soric, Bauarbeiter, serbischer Herkunft
Virgil Mistrianu, Bauarbeiter, rumŠnischer Herkunft
Zeko Zekov, arbeitslos, bulgarischer Herkunft
Sladka Srebreva, Klagefrau, bulgarischer Herkunft
Nadeshda Prekupenko, Studentin, Stripperin, in einer anderen
Welt Akademikerin, ukrainischer Herkunft
Charon, FŠhrmann
Musiker:
Akkordeon
Trompete
Hirtenflšte oder
Klarinette
Ein Wohnraum. In seiner Mitte stehen zwei Tische. Der eine Tisch ist
festlich
gedeckt mit Speisen und GetrŠnken. Auf dem anderen Tisch liegt
ein Sarg [= coffin],
in dem Sarg ein Mann, rechts und links von dem Sarg zwei
riesige
angezŸndete Kerzen [= candles]. Auf der linken Seite des
Raumes befindet sich
ein
KŸcheneck, das mit einem Vorhang von dem Raum getrennt ist, so
dass es
jederzeit von dem Zuschauerraum zu sehen ist. Rechts und in der
Mitte des
Raumes sind noch zwei TŸren zu sehen. Alle Spiegel im Raum
sind
verhŠngt [= covered]. Die Wanduhr ist stehen geblieben. Um den
gedeckten Tisch sind StŸhle. Auf einem von denen sitzt eine Frau, die gerade
eingenickt ist und trŠumt. Nur in dieser ersten Szene verlŠuft ein Fluss durch
den Raum. Am Fluss befindet sich ein Flo§ [= float]. Ein
bŠrtiger Mann sitzt auf dem Flo§ und hŠlt eine Sonnenblume aus der er Kerne
isst. Der Mann steigt aus dem Sarg und geht auf ihn zu. Er ist angezogen wie
fŸr eine Hochzeit.
Nikodim: Guten Abend. (Pause) Mein Name
ist Nikodim, Nikodim Stavrev.
Der FŠhrmann: Mir doch egal.
Nikodim: Ich glaube, ich muss rŸber.
Der FŠhrmann: Jeder muss mal
rŸber.
Nikodim: Na also. (Versucht auf das Flo§ [=
float] zu steigen.)
Der FŠhrmann: Moment. Zuerst das
Geld.
Nikodim: Ah ja, klar. (Beginnt seine Taschen
zu durchsuchen.) Gleich bekommen Sie«s.
Der FŠhrmann: Ich kann warten.
Nikodim: Ich finde es nicht. Muss es unterwegs
verloren haben. Kšnnen Sie nicht ausnahmsweise ein Auge zudrŸcken [= to turn a
blind eye to sthg.]?
FŠhrmann: Bin doch kein beschissener
Karussellbesitzer [= owner of a roundabout].
Nikodim: Nur eine kleine Ausnahme [=
exception].
Der FŠhrmann: Hier gibt«s keine
Ausnahmen. Kinder, Behinderte, Pensionisten, alle mŸssen zahlen.
Nikodim: Ihr Beamten [= officials] seid Ÿberall
gleich.
Drei Musiker treten auf und beginnen vor dem FŠhrmann
zu spielen.
Der FŠhrmann: Haut ab! Die Nummer
mit der Musik funktioniert nur einmal. Ohne Geld geht gar nichts.
Der FŠhrmann fŠhrt mit dem Flo§ weg.
Nikodim: Warte. Unser Platz ist doch auch
drŸben!!
Der FŠhrmann: Solange ihr nicht
zahlt, bleibt ihr hier.
Nikodim: Aber was sollen wir hier tun?
Der FŠhrmann: Irren [= to
wander/stray]. Was sonst?
Der FŠhrenmann und der Fluss verschwinden. Nikodim
geht durchs
Zimmer und legt sich in den Sarg.
Die Frau
am Stuhl wacht auf. Pavlina steht auf, schaut auf den Toten, holt ein
PŠckchenTaschentŸcher, wischt sich eine TrŠne weg.
Pavlina: Ich hab dir deine Lieblingsspeisen [=
Lieblingsessen] gemacht. Willst du denn nicht ein bisschen kosten [= try it]?
Steh doch kurz auf.
Ihr Handy
lŠutet. Es hat die gleiche Melodie, wie die Musik, die die Musiker gespielt haben.
Pavlina: Schon heute? AberÉAch soÉJa genau.É Bei TŸr 9 lŠuten. Es steht ã…sterreicherÒ
[= is both a name and the the word for the nationality] am Schild. Hat uns so
gefallen, deshalb haben wir das Schild [= sticker on the electric bell] nicht
geŠndert. Bis gleich.
Sie
begutachtet [= examine] alles auf dem gedeckten Tisch, rŸckt ein
paar GegenstŠnde zurecht Es lŠutet an der TŸr. Pavlina macht auf.
Sladka
tritt ein.
Sladka: Guten Abend, ich bin Sladka, die
Klagefrau. [= Klage = lament]
Pavlina: Pavlina. Ich freue mich. Aber
eigentlich sollten SieÉ
Sladka (unterbricht sie und riecht in der
Luft): Hier riecht«s aber gut.
Pavlina: Was?
Sladka: Nina Ricci? Love in Paris, nicht
wahr? Das Parfum.
Pavlina: Richtig. Love in Paris.
Sladka: In Paris war ich zwar noch nicht, aber
verliebt war ich mehrmals. Liebe kann man Ÿberall bekommen.
Pavlina: Ich habe Sie eigentlich erst morgen
zum BegrŠbnis erwartet.
Sladka: Ich muss vorher immer eine Zeitlang
mit meinen Kunden [= my clients] verbringen. Danach wirkt alles viel
authentischer. AuthentizitŠt ist sehr wichtig in diesem Beruf. Und wenn auch
die Bezahlung authentisch istÉ
Pavlina: Es bleibt doch beim vereinbarten Preis
[= the payment we have agreed on]?
Sladka: Aber klar, SchŠtzchen.
Pavlina: Eine Freundin hat Sie empfohlen. Sie
hat gemeint, es gŠbe keine bessere Klagefrau als Sie.
Sladka: Ja, weinen kann ich gut. So richtig
klagen, das kann nicht jeder. Das ist eine Gabe [= a gift]. Diese FŠhigkeit hab
ich schon frŸh entdeckt, aber erst hier im Westen richtig entfalten kšnnen.
Mein Mann hat auch das seine dazu beigetragen. So ein unbegabter Mensch. Wenn
ich an ihn denke, kommen mir gleich die TrŠnen.
Pavlina: Meine armen KinderÉ(schluchzt) jetztÉso
ohne Vater
Sladka: Ja, weinen Sie ruhig. Weinen zahlt
sich aus. Das kšnnen Sie mir glauben. Ich hab mit meinen TrŠnen schon ein Haus
an der SchwarzmeerkŸste [= coast at the Black Sea] gekauft. Es gibt soviel Leid
und Kummer auf dieser Welt. Und anstatt sich davon fertig machen zu lassen [=
sich fertig machen lassen = to be worn down by sthg.], nutzt man es besser
positiv. Ich hab da eine richtige MarktlŸcke [= market niche] entdecktÉ Wir
Frauen werden nŠmlich am meisten benachteiligt. Wo arbeiten Sie zum Beispiel?
Pavlina: In einer Reinigungsfirma [= cleaning
company].
Sladka: Sehen Sie, und ich arbeite in einer
Putzerei [= cleaning shop]. Wir bekommen die miesesten Jobs. Deswegen sollten
wir auch unsere TrŠnen so teuer wie mšglich verkaufen. (Nimmt ein StŸck
KŠsestrudel.) MmmhhÉDer KŠsestrudel ist grandios [= excellent]. Haben
Sie ihn selber gebacken?
Pavlina: Ja, ein Rezept von meiner Gro§mutter.
Sladka: Wollen wir nicht per du sein?
Pavlina: GernÉ Ich freue mich, dass du auch die
Nacht hier verbringst.
Sladka: Ich verspreche dir, morgen wird kein
Auge trocken bleiben. Ich wŸnschte, wir hŠtten uns unter anderen Bedingungen
kennen gelernt, aber so ist das Leben. Wo ist das Objekt?
Pavlina: Objekt?
Sladka: Dieses traurigen Anlasses [= of this
sad occasion].
Pavlina fŸhrt sie zum Sarg.
Sladka: Fesch [= attractive] ist erÉ Und noch
so jung.
Pavlina: Ja, erst 41.
Sladka (schnalzt mit der Zunge): Die MŠnner
halten heutzutage aber gar nichts mehr aus. Sie sind so vergŠnglich.
Pavlina: Es war ein Arbeitsunfall.
Sladka: Er schaut noch so lebendig aus. Kaum
zu glauben, dass er tot ist.
Pavlina: Ich hab es zuerst auch nicht geglaubt.
Er hat immer viel gescherzt, wei§t du. Ein Witzbold [= a joker] war er, hat
mich oft zum Lachen gebracht. Und ich dachte, das ist auch wieder einer seiner
blšden Scherze [= one of his stupid jokes]. Ich geh ins Krankenhaus und sehe
ihn da liegen. Um ihn ein paar €rzte versammelt. ãIhr Mann ist totÒ, sagt der
eine. Und ich denke mir, wie hat er es nur wieder hingekriegt [= how did he
succeed in], dass alle nach seiner Pfeife tanzen [= to do someoneÕs bidding].
Siehst du, wie er lŠchelt?
Sladka: Stimmt.
Pavlina: Eben. Ich sehe mir sein blšdes Grinsen
an und sage zu ihm, ãdas ist gar nicht lustigÒ. Und zu den €rzten sage ich,
ãgleich wird er auferstehenÒ und beginne ihn zu ohrfeigen [= to slap sbdy.].
Sladka: Das hast du wirklich gemacht?
Pavlina: Ja.
Sladka: WŸrde ich gern auch mal mit meinem
Mann machen. Aber der ist so unbegabt [= ungiftek]. Nicht mal das Sterben
gelingt ihm richtig. Ein paar Mal hat er sich schon bewusstlos gesoffen. Die
€rzte haben gemeint, ein Ochse [= an ox] wŠre mit dieser Ladung lŠngst tot.
Klar. Ein Ochse hat auch mehr Talent. Und was ist dann passiert?
Pavlina: Weggezogen [= to drag away] haben sie
mich. Und er war totÉ(schluchzt) Warum hast du mich verlassen? Wer wird
mich jetzt zum Lachen bringen? Wer?
Sladka: Weine ruhig. Ich werde spŠter
mitweinen. Muss mir jetzt noch die KrŠfte sparen. (klopft an den Sarg) Nussholz.
Hast nicht gespart.
Pavlina: Die ganze Zeit haben wir nur gespart.
Und was haben wir jetzt davon?
Sladka: So soll«s auch sein. Nur das Beste.
Sehr schšn hast du alles hergerichtet.
Pavlina: Ich will, dass alles so ablŠuft wie
unser Brauch es verlangt [= according to our traditions]. Nach allen Regeln des
Rituals. Deswegen hab ich dich auch engagiert.
Sladka: Rituale sind wichtig. Und wenn man uns
hier nicht erlaubt, so zu leben wie wir wollen, dann sollen wir wenigstens so
sterben. Eine Bestattung ist das Wichtigste Ÿberhaupt. Wer frŸher stirbt ist
lŠnger tot.
Pavlina: Darum geht es mir nicht [= To my mind
thatÕs not what all this is about.]. Mir geht«s nur um die Seele [= soul].
Seine Seele ist mir wichtig. Sie soll Ruhe finden. Deswegen soll auch alles
richtig gemacht werden. SonstÉ
Sladka: Sonst?
Pavlina: Nichts. Ich hab nur was Seltsames
getrŠumt kurz bevor du bekommen bist.
Sladka: ErzŠhl!
Pavlina: Da war ein Fluss. Und mein MannÉ Nein
.. Ich hab«s vergessen.
Sladka: Schade. Ich kann gut TrŠume deuten =
[intrepret dreams].
Pavlina: Vielleicht hat«s mit den vielen
Geschichten zu tun, die ich von meiner Gro§mutter gehšrt habe.
Sladka: Was fŸr Geschichten?
Pavlina: Von verirrten Seelen [= straying
souls]. Hast du nie welche gehšrt?
Sladka: Ich kann dir nŠchtelang solche
Geschichten erzŠhlen.
Sladka: Man soll eine Leiche nie
unbeaufsichtigt lassen, sonst hat man nur Schwierigkeiten.
Pavlina: Deswegen habe ich auch die besten
Freunde meines Mannes gebeten die Totenwache zu halten, denn ich muss dann kurz
weg, um meine beiden Kinder ins Bett zu bringen. Sie sollen heute lieber bei
einer Freundin Ÿbernachten. HŠtte ich gewusst, dass du schon heute kommst,
hŠtte ich anders geplant.
Sladka: Ich hoffe, ich mache dir keine
UmstŠnde.
Pavlina: Nein im Gegenteil. Ich bin jetzt sogar
viel entspannter. MŠnner allein unter sich, das ist so eine Sache. Da hat man
immer so ein komisches GefŸhl im Magen [= to have an unpleasant feeling].
Sladka: Wie viele kommen?
Pavlina: Vier.
Sladka: (lacht) Vier? Da brauchst du
dir wirklich keine Sorgen machen, SchŠtzchen.
Pavlina: Hoffentlich, denn jedes Mal, wenn sie
sich hier versammelt haben, hatten wir Probleme mit den Nachbarn. Allein was
wir wegen Ruhestšrung [= disturbage/ disorderly conduct] zahlen musstenÉ
Sladka: Was sind schon vier MŠnner. Da musst
du mir mit ganz anderen Zahlen kommen.
Es lŠutet an der TŸr.
Pavlina: Da kommen sie.
Pavlina
macht die TŸr auf. Josef, Bora, Virgil und Zeko treten ein und tragen einen
gro§en Blumenkranz [= floral wreath].
Josef: Mein Beileid [= deepest sympathy]. Ich
kann es immer noch nicht fassen.
Virgil: Mein Beileid.
Bora: Beileid. Wir haben da einen Kranz fŸr morgen
É
Pavlina: Stellt ihn einfach dort hin. (zeigt
auf den Sarg)
Bora: Alle haben gespendet, und alle werden morgen
zum BegrŠbnis kommen.
Josef: Auch die Lehrlinge [= apprentice]. So
beliebt war er.
Zeko: Mein Beileid. Gott holt sich die Besten
immer zuerst.
Pavlina: Danke, dass ihr gekommen seid, um mit
mir diese schwere Nacht
zu verbringen. Mein Mann hŠtte sich sehr É(wischt sich
eine TrŠne weg)
Josef: Aber das ist doch selbstverstŠndlich.
Bora: Nicht der Rede wert.
Pavlina: Darf ich vorstellen. Das ist Sladka,
die Klagefrau. Josef, Vorarbeiter, Bora und Virgil, Kollegen meines Mannes. Und
das ist Zeko, ein Landsmann und Freund. Haben wir damals in Traiskirchen kennen
gelernt.
Sladka: Sehr angenehm.
Pavlina: Ich muss jetzt gehen, die Kinder ins
Bett bringen, die Armen ÉSpŠtestens um elf bin ich wieder zurŸck. (zieht
ihren Mantel an) Das auf dem Tisch ist alles fŸr euch. Bedient euch ruhig.
Wartet nicht auf mich Bis spŠter. (sie geht)
Josef: (ganz leise) Ich hab so
was noch nie gemacht. Ihr mŸsst mir sagen was zu tun ist.
Zeko: Nichts. Einfach warten, plaudern und wach
bleiben. Du musst nicht mal flŸstern, denn aufwecken kann man ihn nicht mehr.
Josef: (holt einen Kamm, beginnt sich zu
kŠmmen, geht zu einem verdeckten Spiegel, will ihn aufdecken)
Zeko: Nicht abdecken!
Josef: Wieso?
Zeko: Dort hat sich der Tod gespiegelt [= the
reflection of death] und der kann jeden mitnehmen der hineinblickt.
Josef: Na so wasÉ
Zeko: Das Wasser in allen GefЧen muss auch
ausgeleert [= have to be emptied] werden. Manche meinen, die Seele des Toten
spiegelt sich noch mal, bevor sie weggeht. Und alle Uhren im Zimmer mŸssen mit dem Eintritt des Todes
zum Stehen gebracht werden. Sie dŸrfen nur die Todesstunde anzeigen [= clocks
have to show time of NikodimÕs death].
Josef: Und wieso das?
Zeko: Weil Zeit keine Rolle mehr fŸr ihn spielt.
Josef: Von mir aus kšnnten alle Uhren stehen
bleiben. Und wir haben ewig Feierabend [= finishing time].
Sladka: Wieso kennen Sie sich so gut aus?
Zeko: Meine Gro§mutter, Gott sei ihr gnŠdig, ist
irrsinnig gerne [= sehr sehr gerne] zu
BegrŠbnissen [= funerals] gegangen und hat mich immer mitgeschleppt [=
she draged me along]. War eine Leidenschaft von ihr. Und es gab immer gutes
Essen danach. Wahrscheinlich hat sie gezŠhlt, wie viele sie schon Ÿberlebt hat.
Sie hat sogar eine Liste gefŸhrt. Als Kind musste ich immer schwarze Klamotten
tragen, damit wir uns leichter unter die Trauernden mischen konnten. Aber sie
war gern gesehen, weil sie so herzzerrei§end weinen konnte.
Sladka: Weinen ist eine gro§e Kunst.
Bora: Nein danke. Ich kann gern darauf verzichten.
Ein Leben ohne TrŠnen wŠre mir lieber.
Josef: Menschen bringen mich nicht zum
Weinen, aber Lieder. Bei meiner Hochzeit habe ich geweint. Da war so ein LiedÉ
Virgil: Am besten wir trinken erst mal was.
Alle: Gute Idee.
Virgil: (macht eine Flasche Schnaps auf) Sein
Lieblingsschnaps. Ein Elexier. (gie§t allen ein)
(zu Sladka): Wollen Sie auch?
Sladka: Bin ich denn kein Mensch? Und vergesst
nicht, man darf nicht ansto§en, wenn man auf einen Toten trinkt.
Zeko: Genau (hebt sein Glas) ãMšge der
Teufel tief schlafen und die Seele unseres Freundes Nikodim den Himmel
erreichen, bevor er aufwachtÒ.
Alle trinken.
Bora: Ein blšder Tod.
Zeko: Das kann man wohl sagen.
Virgil: Der Tod ist immer dort wo wir nicht
sind.
Josef: Wie bitte?
Bora: Und wo sind wir nicht!
Virgil: Na klar, dort. (zeigt auf den Sarg)
(Pause)
Josef: Ich wei§ nicht, wie es euch geht, aber
immer wenn ich an den Tod denke, krieg ich Lust, noch einen zu trinken [= I
want to have another drink].
Virgil: Mir gehtÕs genauso.
Bora: Ja, der Tod trocknet einem richtig die Seele
aus.
Sladka: Jetzt will ich auch einen Trinkspruch
[= toast] ausbringen: ÒDeine Seele ist durchsichtig geworden wie das Wasser,
das das Boot von dem Grund trennt. Nur die Gedanken kšnnen die Spiegelungen
wieder erwecken, jene Stellen, wo sich die Welt wiederholt, damit wir sie
endlich erkennen.Ò
Zeko: Wir haben hier eine Dichterin.
Josef: Ist zu hoch fŸr mich [= I donÕt get
that.].
Bora: Sie will nur angeben [= wants to show
off].
Sladka: Hab ich auch mal bei einem BegrŠbnis
gehšrt.
(Pause)
Bora: Sein Tod bleibt aber trotzdem blšd.
Sladka: Wie ist es denn passiert?
Virgil: Kurz nach der Mittagspause.
Bora: Wir haben Beton [= concrete] gemischt
unten am GerŸst [= scaffolding].
Virgil: Es war ein bisschen fad [=
langweilig].
Josef: Nach der Mittagspause sind wir alle
ein bissl [= ein wenig] fad.
Virgil: Und damit wieder ein Leben aufkommt,
habe ich Nikodim gefragt, was er glaubt, dass unser Chef gerade tut. Er gibt
immer so lustige Antworten.
Sladka: Was fŸr Antworten gibt er denn?
Virgil: Die kann man vor einer Dame nicht
wiederholen.
Bora: Am kreativsten war er, wenn man ihn beleidigt
hatte.
Virgil: Er nahm seinen Helm runter, wie es
seine Gewohnheit war, und kratzte sich am Kopf. Da fiel von oben ein KŸbel
Mšrtel [= mortar] runter und baammÉ traf ihn voll auf den SchŠdel.
Bora: Ich hab noch versucht ihn zu beatmen. Sein
Atem roch nach Extrawurstsemmel [= a roll with ham].
Virgil: Es war ja kurz nach der Mittagspause.
Sladka: Nun genie§t er die lŠngste
Mittagspause seines Lebens.
Bora: Ich werde nie wieder eine Extrawurstsemmel
essen.
Virgil: Ich werde seine Antworten sehr
vermissen.
Josef: Ein echt blšder Tod. (schenkt sich
selbst und allen anderen einen
Schnaps ein)
(Pause)
Bora: Ich sag euch, was ein blšder Tod ist. Ich
hatte drei Freunde in meinem Dorf in Serbien. Gro§, wild, richtige Kerle. Waren
auch alle im Krieg. Und haben alles ohne einen Kratzer Ÿberlebt [= without a
scratch]. Nun wollten sie zu Weihnachten ein Schwein schlachten [= to
slaugther]. Sie wollten es aber modern machen und statt Messer haben sie ein
StromschlaggerŠt [= device that produces electric shocks] benutzt. Was da genau
passiert ist, wei§ niemand. Aber am Ende sind alle tot gewesen.
Virgil: Alle?
Bora: Alle, au§er dem Schwein. Das hat man davon,
wenn man neue Technologien benutzt
und nicht der Tradition vertraut. Ich hab aus Protest kein StŸck Fleisch davon
gegessen. Nicht mal ein Cevapcici [= something like a meatball which is cooked
on a grill].
Virgil: Kein Schwein will sterben.
Sladka: Blšd sterben scheint eine SpezialitŠt
der MŠnner zu sein.
Bora: Und was ist deine? Blšd reden?
Sladka: Ich hab einen Onkel gehabt, der auch
ziemlich blšd gestorben ist. Er trank gern und viel. Das einzige was er nicht
getrunken hat, war glaube ich, das schmutzige Wasser aus der Waschmaschine.
Wenn er besoffen war und von der Kneipe nach Hause ging, pinkelte er am liebsten
auf kommunistische DenkmŠler [= memorial].
Zeko: Ein mutiger Kerl.
Sladka: Er hasste die Roten. Weil sein Sohn
erschossen [= was shot] wurde, als der Ÿber die Grenze wollte [= wanted to
cross the boarder]É Er pinkelte [= to pee] mal vor dem Denkmal des unbekannten
Soldaten [= the unknown soldier]. Es ist Winter. †berall liegt Schnee. Alles
wei§ wie ein unbeschriebenes Blatt. Das inspiriert ihn. Er Ÿberlegt sich etwas
mit seinem gelben Strahl zu schreiben. ãSchei§ KommunistenÒ oder so was. Da
taucht ein MilizionŠr auf und fragt ihn was er da mache: ãIch will ãTod dem
Faschismus und dem ImperialismusÒ schreiben. Aber ich fŸrchte, mir wird die
Tinte nicht ausreichen. Kšnnen Sie mir helfen Genosse MilizionŠr?Ò Der
MilizionŠr schaut sich um, stellt sich neben meinen Onkel und pinkelt noch
Imperialismus drauf.
(Alle lachen)
Josef: Ich brŠuchte mindestens drei KrŸgel [=
3 pints of beer]. Sonst schaffe ich das Wort nie.
Virgil: Der reale Sozialismus hat nicht nur
unser Bewusstsein, sondern auch unsere Blasen [= bladder] erweitert.
Sladka: Leider ist ihm diese
Pinkelangewohnheit dann zum VerhŠngnis
geworden
[= it came to be his undoing].
Virgil: Wurde er von der Miliz totgeschlagen?
Sladka: Nein, es kam anders. Er ging wieder
einmal besoffen Ÿber eine BrŸcke und verspŸrte Lust runterzupinkeln. Leider
liefen unter der BrŸcke Hochspannungsleitungen [= high voltage power lines]. Er
soll geleuchtet haben wie ein Weihnachtsbaum.
Josef: Mir ist der Appetit vergangen.
(Pause)
Zeko: Weil wir gerade von blšden Begebenheiten reden,
fŠllt mir in diesem Zusammenhang auch eine Geschichte ein. Mein erster
Bordellbesuch [= Bordell= brothel] ist auch sehr blšd gelaufen. Mein Deutsch
war damals noch ziemlich schlecht.
Sladka: Seit wann braucht man denn einen
Deutschkurs, um in ein Bordell zu gehen?
Zeko: Ich hatte mal wieder keine Arbeit.
Virgil: Hast du denn jetzt eine?
Zeko: Bis vor kurzem schon.
Josef: Lass ihn doch erzŠhlen.
Zeko: Jeden Tag aufstehen und Arbeit suchen. Und
das monatelang. Ihr wisst, wie frustrierend das sein kann. Ich brauchte ein
wenig Entspannung. Ich geh also eines Nachmittags dorthin, such mir eine
Rothaarige aus, verhandle den PreisÉ
Sladka: (unterbricht ihn) DafŸr hat
aber dein Deutsch gereicht?
Zeko: Die meisten Fachbegriffe in diesem Gewerbe
sind international. Ich gehe also mit ihr in ein Zimmer, ziehe mich aus und
will schon zur Sache kommen. Da sagt die mir: ãZuerst duschen.Ò ãIch hab schon
geduschtÒ, sage ich. ãEgal, noch malÒ, sagt sie. Nun gut, ich dusche schnell,
leg mich dann zu ihr, versuch sie zu kŸssen, sie schaut mich nicht mal an,
sondern schaut zum Fenster. Ihr Gesicht drŸckt gar nichts aus. Es ist so, als
ob du in einen leeren PlastikkŸbel [= a bucket made of plastic] hinein schaust.
Nur ab und zu berŸhrt sie meine Eier [= my balls] und fragt: ÒBist du schon
gekommen?Ò [= i.e. have you had an orgasm yet] Ich sage euch, Autowaschen ist
aufregender. Ich wollte die Stellung wechseln, damit Ÿberhaupt was passiert.
Sie: ÒGeh zuerst duschen.Ò Da war ich schon sehr empšrt, bin aufgestanden und
hab ihr gesagt: ãWas fŸr Sex ist das, bitteschšn. Was fŸr Schei§ Sex. Alles
schšn hier: HŠuser, GeschŠfte, Autos, warum dann Sex so eine Schei§e?Ò Sie aber
macht einen Skandal, es kommen zwei SchlŠgertypen [= bruiser/ bully], verlangen
das Geld und werfen mich raus.
Josef: Und wo ist das besonders Blšde an der
Geschichte? Ich finde sie ganz normal.
Zeko: Das blšdeste kommt noch. In der ganzen
Aufregung habe ich die Rechnung mit der Kreditkarte meiner Frau bezahlt.
Bora: Na so ein Pech.
Sladka: Du bist verheiratet?
Zeko: Bis dahin war ich`s.
Josef: Freunde. †ber eines mŸssen wir uns
einig sein. Der Tod im Allgemeinen und ein paar Ereignisse im Besonderen sind
etwas Unnštiges, †berflŸssiges und Dummes.
Virgil: Das hast du jetzt schšn
zusammengefasst.
Alle trinken
Josef: Der Schnaps ist gut.
Zeko: Mit guten Leuten kann man auch Benzin
trinken.
Bora: Ich hol ein bisschen Wasser. (steht auf
und geht nach links, wo sich
hinter einem Vorhang ein Waschraum befindet. Der
Vorhang trennt den
Waschraum von dem Wohnraum so, dass beide RŠume
sichtbar sind)
Sladka folgt ihm.
6. Szene
Sladka: Schaust gut aus [= you look good].
Hast zugenommen. Deine Frau muss wohl sehr gut kochen.
Bora: Warum bist du da?
Sladka: Das wei§ doch jeder. Um zu weinen.
Bora: Du hast gewusst, dass ich da sein werde.
Sladka: Purer Zufall. Das Leben ist voller
†berraschungen.
Bora: Ich hasse †berraschungen.
Sladka: Es gab Zeiten, da warst du ein sehr
flexibler Mensch. Warum hast du mich nie mehr angerufen?
Bora: Weil es vorbei war [= it was over].
Sladka: WŠre nett, wenn du es mir gesagt
hŠttest.
Bora: War so besser fŸr uns beide.
Sladka: Hab ich denn nicht ein paar Worte
verdient [= to deserve].
Bora: Mein Deutsch ist so schlecht.
Sladka: Du hast Angst, nicht wahrÉ Weil ich
dir immer noch was bedeute [= I still mean something to you].
Bora: Es ist aus und vorbei. Ich will nicht mehr
darŸber reden.
Sladka beginnt zu weinen.
Bora: Hšr jetzt bitte auf.
Sladka: Ich weine gern. Hast du es vergessen.
Bora: Hšr auf mit dem Theater = Don't get your knickers in a twist.]. Du wei§t
wie ich TrŠnen hasse.
Sladka: Die sind nicht fŸr dich. Es gibt
schlie§lich einen Toten zu beklagen.
Bora kehrt mit einer Karaffe zurŸck zu den anderen.
Sladka wischt sich
die TrŠnen und folgt ihm.
Josef: Ein Prachtkerl [= a good bloke] war
er! Und erst sein Schnurrbart. Schaut wie fesch der ist (zeigt mit einer
Pfefferoni auf den Toten). So einen hab ich mir immer gewŸnschtÉ Und
das alles sollen jetzt die WŸrmer [= the worms] fressen, die keine Ahnung haben
was schšn und was unschšn istÉ Ich habe ihn sehr geliebt. FŸr ihn hŠtte ich
sogar eine Niere spendiert [= to donate a kidney], wenn er sie gebraucht hŠtte.
Das meine ich ernst. (klopft sich dort wo er seine Nieren vermutet)
Virgil: Wer braucht schon deine Nieren. Die
sind lŠngst im Arsch [= down the drain]. Die Schei§arbeit am Bau [am Bau = auf
der Baustelle = on the building site] hat unsere Kšrper lŠngst kaputt gemacht.
Sladka: Ihr MŠnner seid so vergŠnglich [=
trainsitory/ temporary]. Ihr schlagt euch auf die Brust, aber ihr habt nicht
mal Kraft, eine Frau glŸcklich zu machen.
Josef: Ich will ihm einen Kuss geben. (geht
zum Sarg, streichelt dem Toten Ÿber den Kopf, seufzt) Dieser Schnurrbart
[= moustache]! (kŸsst ihn) Hab nichts Falsches gemacht, oder?
Zeko: Nein. Man kann alles tun was der Verstorbene
[= the deceased] auch gern getan hŠtte.
Josef: (zu dem Toten) Ist dir
langweilig? Hast du dich fŸr immer hingelegt oder Ÿberlegst du dir irgendwann
aufzustehen, uns auf der Baustelle zu besuchen, eine mit uns zu rauchen [= eine
Zigarette mit uns zu rauchen], Witze zu erzŠhlen. Nimm dir ruhig Zeit. Du
kannst auch in einem Jahr kommen. FŸr dich wird es immer einen Platz bei mir
geben. Ich bin der Chef. Ich entscheide wer bei uns hackeln [= arbeiten] darf
und wer nicht.
Virgil: Kannst lang warten, dass er aufsteht,
wenn du ihm von unserer Schei§ Arbeit erzŠhlst.
Josef: Was is. GefŠllt dir unsere Arbeit
nicht mehr, Herr Doktor?
Zeko: (zu Sladka) Virgil hat vier
Semester Soziologie studiert.
Sladka: (zu Virgil) Oh, darf ich
mich neben dich setzten?
Virgil: Bitteschšn.
Sladka: Ich habe gehšrt, du hast studiert.
Virgil: Das ist paradoxal, nicht wahr.
Sladka: Ich mag gebildete [= educated] MŠnner.
Bora lacht
Josef: (zeigt auf die Leiche) Schau, seine
SchuhbŠnder [= shoelaces] sind offen.
Zeko: Nein, die mŸssen offen bleiben. Keine
zugeschnŸrten [= laced up] SchuhbŠnder, keine geschlossenen GŸrtelschnallen [=
belt buckles]. Sonst bleibt seine Seele hier hŠngen [= his soul will get stuck
here].
Josef: Na geh!! (kratzt sich am Kopf und
denkt intensiv nach) Eine heikle Sache [= a delicate issue], diese
Seele.
Bora: In einer seiner Taschen muss auch eine MŸnze
[= coin] sein, damit er die Reise nach drŸben bezahlen kann. Das ist wichtig.
Josef: Ich steck ihm noch eine hinein, falls
es teurer geworden ist. Die Wiener Linien werden ja auch immer teurer.
Zeko: Siehst du seinen Anzug [= his suit]?
Josef: Schšne Farbe. Sehr elegant. Und
tadellos [= flawless] gebŸgelt [= ironed].
Zeko: Das ist sein Hochzeitsanzug. Er hat ihn an,
damit seine Frau ihn spŠter im Jenseits [= the afteworld] erkennt.
Josef: Gut dass du mir das sagst. Ich werde
noch morgen mein Hochzeitsgewand [= the clothes that he wore for his wedding]
verbrennen [= to burn it].
Alle lachen.
Josef: In meinem Garten mache ich ein kleines
Feuerchen. Dann hole ich mir ein Bier und werde warten bis alles zu Asche [=
ashes] wird. Ihr seid alle herzlich eingeladen. Danach kšnnen wir ein bisschen
grillen.
Zeko: (mit einer leeren Flasche in der Hand) Schade, dass
der Schnaps nicht wie die Seele ist. Man kšnnte dann die Flasche zuschnŸren und
er bliebe immer da. (šffnet die nŠchste, will einschenken)
Virgil: Moment, wir kšnnen`s ja ausprobieren.
(Zieht das Band von
seinem rechten Schuh aus und bindet es um die Flasche)
Sladka: WŠre das mšglich, hŠtte mein Mann
diese Entdeckung schon vor zwanzig Jahren gemacht. Er ist so unbegabt.
Bora: Er hat dich geheiratet. Das hat ihm den Rest
gegeben [= this finished him off].
Josef: (zu Virgil) Herr Doktor, ich
werde ihr Experiment von ganzem Herzen unterstŸtzen.
Zeko: Meine Damen und Herren, das sind wir der
Wissenschaft schuldig.
Bora: Rein wissenschaftlich bin ich auch dabei.
Alle
trinken, schweigen und schauen konzentriert auf die Flasche. Charon taucht auf,
ergreift die Flasche, trinkt sie aus und verschwindet wieder, die
Internationale
summend. Bora bekommt Schluckauf.
Josef: Die ist ja noch schneller leer
geworden.
Virgil: Das ist mysterišs.
Zeko: UnheimlichÉ Mir ist es kalt Ÿber den RŸcken
gelaufen [= it gives me the creeps].
Josef: Habt ihr was entdeckt?
Virgil: (sein Kopf liegt zwischen Sladkas
BrŸsten) Ich hab neben mir einen neuen, nein, zwei neue Kontinente
entdeckt.
Bora: Es sind Kontinente des Kummers [= grief],
nicht schwer zu erobern.
Sladka: (steht auf, zu Bora) Ich werde
deiner Frau alles erzŠhlen, du Feigling [= coward]!
Boras Schluckauf [= hiccup] hšrt
auf.
Josef: Es hat tatsŠchlich gewirkt.
Zeko: Interessant.
Josef: Ich habe irgendwie das GefŸhl, ich
habe keinen einzigen Schluck gemacht und nun ist alles weg.
Bora: Das ist ein Zeichen. Nikodim hat uns
ein Zeichen gegeben.
Zeko: (zu Virgil) Glaubst du
das?
Virgil: Ich glaube, ich habe gerade etwas
entdeckt und werde meine Ÿbersinnlichen [= extrasensort/ transcendental]
Forschungen vertiefen. (greift nach Sladkas BrŸsten)
Sladka: HŠnde weg.
Virgil: Wir kšnnten es ein bisschen lustig
haben.
Sladka: Ich bin zum Weinen da.
Bora: Was hat Nikodim am liebsten gemacht?
Mit Freunden gesessen, getrunken und gefeiert. Und was machen wir? Wir stehen
da und essen und trinken ohne ihn. Sind wir seine Freunde, oder nicht?
Josef, Virgil, Zeko: Klar sind wir das.
Bora: Dann sollten wir ihn zu uns an den
Tisch holen.
Josef: Eine gro§artige Idee.
Zeko: Bora, du bist ein Genie.
Bora: (zur Leiche) Komm, mein Freund. (Bora,
Zeko und Josef holen die Leiche aus dem Sarg)
Sladka: Hšrt auf, ihr seid verrŸckt! Oh mein
Gott, das will ich nicht sehen. (zu Virgil) Bitte, halte sie
auf! Du bist ein studierter Mensch.
Virgil: Die Toten sitzen sowieso immer bei uns
und beeinflussen unser Tun [= influence what we do]. Nun wird das auch
manifestiert. Ich hab nichts gegen Auferstehungen [= resurrection]. Im
Gegenteil. Ich liebe Paradoxien.
Bora: (setzt Nikodim auf einen Stuhl) Das ist
dein Lieblingsplatz, mein Freund. Setz dich ruhig. Jetzt eine Gabel in seine
Linke und ein Glas in seine Rechte.
Zeko: (versucht das Glas in die Hand des Toten
zu schieben) Das ist schwer.
Bora: Nix ist schwer, wenn man Freunde hat. (sie
schaffen es) Wo ist sein Hut? (Josef bringt ihn, setzt ihn der
Leiche auf)
Josef: So ein fescher Schnurrbart.
Bora: Willkommen bei uns, mein Freund! (macht
die nŠchste Flasche auf)
Sladka
hat die ganze Zeit die Augen verschlossen und šffnet sie langsam, lacht beim
Anblick der Leiche
Bora: Die Weiber werde ich nie verstehen.
Zeko: Bravo Bora!
Josef: Auf unseren Freund Bora! (alle
trinken)
Bora: (zu Sladka) Was lachst du so
deppert [= blšd = stupid].
Josef: Lass doch die Frau in Ruhe. Soll sie
lachen (zu Sladka) Komm, meine Verehrteste, setz dich zu mir.
Sladka: Endlich ein Kavalier. (setzt sich
zu ihm)
Josef: (zu dem Toten) Ich werde
jetzt wie du sein. Ich werde statt dir [= instead of you] essen und trinken und
trŠumen und die anderen auf der Baustelle zum Lachen bringen. Auch den
Schnurrbart werde ich mir fŠrben [= to dye] lassen, damit er wie deiner wird.
Und du kannst ganz entspannt nicht mehr existieren.
Sladka: Du kannst so schšn reden.
Josef: Du hŠttest ihn kennen mŸssen. (zeigt
auf Nikodim) Er war ein richtiger Charmeur. HŠtte sicher versucht
dich zu verfŸhren [=to seduce you].
Sladka: Und du?
Josef: Ich will jetzt sein wie er. Vielleicht
habe ich seine Seele in mir. Denn da (klopft sich auf die Brust) ist Platz
genug. Komm Nikodim, steig ein. Teil mit mir das Leben. Der Tod ist doch so
uninteressant.
Bora: Ob seine Seele noch da ist?
Virgil: Es gibt keine Seele. Das ist die
Wahrheit.
Zeko: Ist eine sehr kurze Wahrheit.
Virgil: Die Wahrheit ist kurz.
Sladka: Ich hasse alles was von kurzer Dauer
ist.
Virgil: Ich hŠtte statt ihm sterben sollen.
Ich hab weder Frau noch Kinder. Niemand mich wird vermissenÉ Nicht mal ihr. Ihr
seid keine Freunde. Nur er (zeigt auf den Toten) war mein Freund.
Ich will fŸr ihn sterben.
Virgil zieht seine Schuhe aus, steigt in den Sarg und
streckt sich aus.
Bora: Komm Virgil. Klar sind wir deine Freunde.
Was ist denn los?!
Josef: Sag, wer dich beleidigt hat, und ich
werde ihm gleich die Fresse polieren [= ihn verprŸgeln]. Und wenn ich das bin,
dann schlag ich eben mich selbst. Ich hab jetzt zwei Seelen. Das muss man
ausnutzen.
Virgil: Lasst mich. Ihr seid keine Freunde.
Ich will jetzt sterben. (schlŠft ein)
Zeko: So kenn ich ihn gar nicht. Er ist immer so
konstant gewesen.
Bora: Ja, er spielt seit zehn Jahren dieselben
Lottozahlen und benutzt denselben Kamm.
Josef: (zu Sladka) Ich glaube, er hat
sich ein bisschen in dich verliebt. Wenn du ihn kŸsst, wird er sicher
aufstehen.
Bora: (legt ein Ohr auf Virgils Brust) Er
schlŠft.
Sladka: Soll er ruhig weiterschlafen.
Josef: Find ich auch. Wir sollen ihn nicht
stšren.
Zeko: Am besten wir tun so, als ob er
wirklich tot wŠre. Wir sollten ihn unterstŸtzen. Wir sind doch Freunde. Josef:
Was fŸr ein Sternzeichen [= zodiac sign] bist du?
Sladka: Glaubst du an die Sterne?
Josef: Sie versprechen mir seit Jahren viel
Geld. Ich schaue sie gern an.
(holt eine Zeitung aus seiner Sakkotasche) Was fŸr ein
Sternzeichen bist du?
Sladka: Steinbock [= Capricorn].
Josef: Ich bin Fisch [= Pisces]. Das passt
gut zusammen. (sucht in der Zeitung) Steinbock, da
haben wir`s [= here it is]. Liebe: Trotz Mondquadrat sind Sie heute in guter
Stimmung und werden kaum, dass sie auf einer Veranstaltung erscheinen,
interessiert beobachtet und nach wenigen Minuten angesprochen. Erfolg: Derzeit
kšnnen Sie so gut wie alles erreichen, was Sie sich vornehmen. Merkur gibt
Ihnen die Kraft sich realistische Ziele zu setzen und diese konzentriert
anzugehen. Nicht schlecht, was?
Bora: Und was steht bei mir?
Josef: Was bist du fŸr ein Sternzeichen?
Sladka: Schwein, nach dem chinesischenÉ
Bora: SchŸtze [= Saggitarius].
Josef: (liest) Liebe: Merkur
hilft Ihnen Ihr Privatleben etwas zu entrŸmpeln [= to clear out]. Beziehungen
zu beenden ist traurig, aber oft nštig, wenn man eingestehen [= admit] muss,
dass man schon lange getrennte Wege geht. Gesundheit: Mars und Venus stehen
ungŸnstig. Ihre Laune lŠsst zu wŸnschen Ÿbrig. Erfolg: Achten Sie heute darauf,
dass Sie nicht zum Querulanten [= grouser] werden. Das steht Ihnen nicht zu
Gesicht [= does not suit you].
Bora: Ich schei§ auf deine Horoskope.
Josef: (liest) †ber mich steht: Ein
Venusquadrat will Sie in eine private Sackgasse [= cul-de-sac] fŸhren. Sie aber
wissen, dass Ihre Beziehung auf Fels gebaut ist. Auch wenn Sie Sport treiben
sollten Sie viel trinkenÉ (zu Nikodim)Schauen wir was
Ÿber dich da steht, mein Freund. Du bist heute die Hauptperson. (liest) Essen Sie
viel Kohl und Brokkoli. Radeln Sie um den HŠuserblockÉ SchwierigÉ Hat er ein
Fahrrad?
Zeko: Ja, wir sind manchmal gemeinsam an der Donau
fischen gegangen.
Josef: Ich werde alles fŸr dich machen, mein
Freund. Ich werde Kohl [= cabbage] essen, ein paar Runden um den Block radeln
und, wenn du willst, auch fischen gehen. Du brauchst dich um nichts mehr
kŸmmern. Kannst ruhig mit den Sternen spielen.
Bora: Fick die Sterne.
Sladka: Angeber.
Bora: Zwanzig Jahre bin ich schon auf dem Bau.
Habe sicher 1000 GerŸste [= scaffolding], wenn nicht sogar mehr erklettert [=
to climb up]. Stellt man sie Ÿbereinander, werden sie 100 pro den Mond
erreichen. Aber fŸr eine Pension reichen sie immer noch nicht [= itÕs not
enough for a pension]. Ich sag euch, es gibt keine Gerechtigkeit, weder oben
noch unten. Wie hoch muss ich noch klettern? Also rede mir nicht von den
Sternen, sonst muss ich speiben [= vomit].
Zeko: Klettern ist nicht gut. Kriechen mŸsste man
kšnnen. Die kommen am weitesten.
Josef: Kriechen? Bin ich ein Wurm? Ich hasse
WŸrmer.
Bora: Vor dem Chef kriechst du ganz ordentlich.
Josef: Das ist was anderes.
Bora: LohnkŸrzungen [= cut in wages],
PersonalkŸrzungen [= staff cuts]É Alles schluckst du runter [= to swallow/
accept].
Josef: Ich habe keine Lust meinen Job zu
verlierenÉ Obwohl ich mir gut vorstellen kšnnte, hauptberuflich in der nŠchsten
Zeit etwas Angenehmeres zu treiben [= to find something more enjoyable as my
regular occupation]. (BegrŠbt sein Gesicht in Sladkas Scho§. Sie kichert.)
Bora: Du hast keinen Charakter.
Sladka: Es kitzelt [= to tickel].
Bora: Pfusche nicht auf fremden Baustellen.
[pfuschen = botch]
Sladka: Was? Was sagst du da?
Josef: Die Dame ist vortrefflich gebaut.
Bora: Von Architektur hast du nie eine Ahnung
gehabt.
Josef: Ich bin nur der Vorarbeiter.
Sladka: Und was fŸr einerÉ
Bora: Du bist ein Schlappschwanz [= coward/
chicken].
Josef: Pass auf, was du sagst.
Zeko: Leute, mir ist gerade ein Witz eingefallenÉ
Bora: Der Witz steht vor dirÉ und fallen wird er
auch bald.
Josef: Halt deine Pappn [= shut up], Bora!
Bora: Du wŠrst gern ein Mann, was?
Josef: Noch ein Wort und du kannst dir morgen
einen neuen Job suchen.
Bora: Ohne deine Stelle bist du nichts, eine Null,
ein KloÉ Du bist eine feige [= cowardly] šsterreichische Sau.
Josef: Ich zeige dir gleich, wer ich bin, du
Tschusch!
Bora: Siehst du meine HŠnde? Die linke schickt
dich ins Spital, die rechte zu deinen beschissenen Sternen. Suche es dir selber
ausÉ In der Jugend war ich Hammerwerfer [= hammer thrower]. Galt als olympische
Hoffnung.
Sladka: Du kannst nur olympisch enttŠuschen. (zu
Josef flŸsternd) Tu ihm doch ein bisschen weh. Lass ihn nicht so lange
warten.
Josef: Ich mache ihn schnell fertig und bin
gleich wieder bei dir.
Bora: Komm nur. Ich werde dich ganz schšn
horoskopieren.
Zeko: Freunde, lasst das! Wir sind doch FreundeÉ
Bora: Geh beiseite, Zeko!
Zeko: Kaum ist Nikodim tot und die ganze Harmonie
unserer Freundschaft ist futsch [= gone].
Josef: Gleich wird alles wieder sehr
harmonisch.
Die beiden beginnen miteinander zu ringen.
Zeko: (rŸttelt Virgil) Virgil,
hilf! Wach auf! Lass mich nicht allein wie ein Matrose [= sailor] kŠmpfen.
Josef bei§t Bora und lŠuft danach weg.
Bora: Mich zu bei§en wie ein Weib [= woman/
broad]. Jetzt schlage ich dir alle ZŠhne aus. (Beginnt ihn um den Tisch zu
verfolgen. Da schaltet Sladka das Licht aus.)
Im Dunklen.
Josef: Jetzt habe ich dich.
Virgil: Kommt, ihr Teufel! Ich bin bereit, es
mit jedem von euch aufzunehmen [= I can take on with each one of you.]. Aua.
Bora: Der hat gesessen.
Josef: (schlagendes GerŠusch) Wie gefŠllt
dir das? Was sagst du jetztÉ (Schlag) Wer ist hier der
Schlappschwanz [= coward/ chicken]? (Schlag) Ich hšre dich nichtÉ
Bora, was ist mit dir losÉ Mach keinen Schei§, Bora. Du bist ja ganz kaltÉ Ruft
sofort einen Arzt! Helft mir! Geh nicht, mein Freund!
Sladka: Nein!
Das Licht
geht an. Josef liegt auf Nikodim und versucht, ihn zu beatmen. Virgil liegt auf
dem Boden. †ber ihm steht Bora, der seine eigene Faust betrachtet.
Bora: Das ist seltsam.
Zeko: (kriecht unter dem Tisch hervor) Es ist ein Wunder!
Sladka: Es ist nur bescheuert.
Zeko: Nikodim hat es nicht ausgehalten, dass ihr
euch streitet und hat sich eingemischt um wieder das Gleichgewicht unserer
Freundschaft herzustellen.
Sladka: Und was ist mit Virgil?
Zeko: (legt ein Ohr an Virgils Brust) Er schlŠftÉ
Noch tiefer als vorher. Schlafende und Tote haben Zugang zu derselben Welt. Sie
kommunizieren miteinander.
Sladka: Anscheinend besser als wir.
Josef: Verzeih mir, Nikodim. Ich schŠme mich
unheimlich.
Bora: Komm, Josef. Bringen wir ihn an seinen
Platz.
Beide
heben Nikodim und setzen ihn wieder an den Tisch. Josef putzt mit den HŠnden
den Staub von seinem Anzug, holt einen Kamm und glŠttet ihm das Haar. Bora geht
zu Sladka.
Bora: Ich brauche dein Schminkzeug [= your
make-up].
Sladka
gibt ihm ihre Tasche. Bora geht zum Toten, holt Make-up und Lippenstift und
beginnt sein Gesicht zu schminken. Sladka geht in den Waschraum links.
Bora: Jetzt wirst du viel schšner, mein Freund.
Josef: Die Frauen werden drŸben an dir kleben
wie die Fliegen.
Bora: Du bist ganz in Ordnung, Josef.
Josef: Du auch, Bora. Du auch.
Bora: Gut, dass er sich zwischen uns gestellt hat
[= I intervened]. SonstÉ
Josef: Ein Freund bleibt immer ein Freund.
Meine HŠnde zittern noch.
Bora: Trinken wir lieber einen [= weÕd better have
a drink].
Zeko: Und was ist mit Virgil?
Josef: Er ist mir ein gro§es RŠtsel.
Zeko: Du hast ihn ganz schšn erwischt.
Bora: In meiner Jugend war ich ja auch
Hammerwerfer.
Josef: Lang, lang istÕs her.
Sladka kommt aus dem Waschraum.
Bora: (spannt seine Muskeln an) DrŸckt hier.
Alle drŸcken. Sladka berŸhrt seinen Kšrper an mehreren
Stellen und seufzt.
Zeko: Erstaunlich.
Josef: Warum bist du nicht Hammerwerfer
geblieben? HŠttest viel mehr Kies verdient, dir die Welt angeschaut.
Bora: Ich hatte den Willen, ich hatte die Kraft,
ich hatte die beste Technik. Aber eins hat mir nicht gepasst.
Josef: Und was?
Bora: Der Sex.
Sladka: Etwas steht euch MŠnnern immer im Weg.
Zeko: Kennt ihr die Geschichte von dem
sowjetischen Hammerwerfer? Er hat mal bei den Olympischen Spielen Gold geholt
[= won the gold medal], mit einem riesigen Vorsprung [= head start]vor den
anderen. Da wollten alle sein Geheimnis wissen. Wie machen Sie das, fragten ihn
die Journalisten. Wie schaffen Sie es, dass Ihr Hammer mit so einer Wucht [= vehemnce]
und Energie allen davonfliegtÉ Er schaut sie verwundert an und sagt, das ist
nichts. Gebt mir auch die Sichel [= sickle]. Die werfe ich ja noch weiter.
(Nur Zeko lacht.)
Bora: Zeko, du machst uns nur traurig. Mach lieber
eine neue Flasche aufÉ Um die Sowjetunion tut es mir sehr LeidÉ Ich sage euch,
gŠbe es sie noch, hŠtte kein beschissener Arbeitgeber [= employer] sich getraut
ArbeitsplŠtze [= jobs] zu kŸrzen. HŠtte Angst gehabt, dass dann alle
Kommunisten werden. Und wir hŠtte unsere Ruhe [= have some peace and quiet] É Es
zerfŠlltÉ Was gro§ ist, zerfŠllt [= falls apart] und wird klein. Wie dieses
Glas. Du schluckst es und schluckst, aber der Durst bleibt.
Josef: Unsere Freundschaft wŠre auch beinahe
zerfallen. Gut, dass Nikodim so spontan reagiert hat. So aufopfernd.
Zeko: Ein denkwŸrdiger Moment. Solche Momente muss
man fŸr immer festhalten.
Josef: Ich habe eine Idee. (holt eine
Polaroidkamera aus seiner Tasche) Machen wir ein paar Fotos von uns
allen. Eins stecken wir in Nikodims Tasche, falls er sich mal einsam fŸhlt. Die
restlichen tragen wir immer bei uns, als Andenken [= memory] an unsere
kolossale [= great] Freundschaft.
Bora: Josef, du hast mich zutiefst berŸhrt [=
touched me deeply]. Das hat vorher niemand geschafft. Kein …sterreicher
jedenfalls. Wir sollen auch Virgil holen. (geht zum Sarg) Wo ist er
denn?
Zeko: Er liegt noch da.
Bora: Und du sagst nichts.
Zeko: AberÉ
Bora: Das ist doch kein beschissenes Taschentuch
[= handkerchief]. Das ist ein Freund. Freunde liegen nicht einfach da. Sag
sofort, was passiert ist, sonst breche ich dir sŠmtliche Knochen.
Zeko: Du hast ihn ja selbst im Dunkeln
niedergestreckt [= knocked him out], du Tschusch.
Sladka: Immer wenn er etwas im Dunkeln tut,
leidet jemand.
Bora: Gut, dann werde ich ihn halten. Aber er muss
unbedingt auf das Foto.
Zeko: Sollten wir nicht lieber warten bis er
aufwacht?
Bora: Unnštig [= not necessary]. Er schaut sowieso
immer gleich aus.
Josef: Unsere Dame muss auch auf das Foto.
Sladka: Nein danke. Mit Kunden [= clients]
pflege ich nur GeschŠftsbeziehungen [= business connections].
Bora: Dann machst du die Fotos.
Alle
stellen sich hinter den Toten. Bora hŠlt den schlafenden Virgil unter den Armen.
Sladka nimmt die Kamera.
Josef: Ich nehme absichtlich kein Glas in die
Hand. Ich habe mir vor kurzem unser Fotoalbum zu Hause angeschaut. Bei 80
Prozent der Fotos halte ich ein Glas in der Hand. Die GlŠser schauen immer mehr
oder weniger gleich aus. Nur ich werde Šlter.
Bora: Was brauchst du so lange? [= What is taking you so long?]
Sladka: GleichÉ Bitte alle lŠcheln. (Fotografiert,
nimmt das Foto und legt es auf den Tisch.)
Josef: Mach jetzt schnell noch vier.
Bora: Virgil muss zugenommen haben. Ich habe
ihn ein paar Male nach Hause getragen. Da war er viel leichter.
Sladka: Die Kamera funktioniert nicht mehr.
Bora: Auf die Weiber kann man sich nie verlassen.
Josef: Lass mich schauenÉ Schei§e. Es ist
kein Film mehr drinnen. Ich Trottel [= idiot].
Zeko: Und wer bekommt jetzt das Foto?
Josef: Nikodim natŸrlichÉ Es ist sehr schšn
geworden.
Sladka: Ich bin sehr gut. Habe ein GespŸr [=
feeling] fŸr den richtigen Augenblick [= right moment].
Josef: So eine gesunde Gesichtsfarbe [=
floridness] hatte Nikodim noch nie.
Zeko: Er war immer schon sehr fotogenÉ Schau,
Bora, was sagst du dazu?
Bora: Ich habe schon bessere Fotos gesehenÉ Kommt,
bringen wir Virgil wieder an seinen Platz.
Sie legen
Virgil wieder in den Sarg. Danach steckt Josef das Foto in Nikodims Sakkotasche.
Josef: Geben wir uns jetzt das Wort: Solange
dieses Foto bei ihm bleibt, streiten wir uns nicht.
Bora: Ich gebe mein Wort [= I give you my
word].
Zeko: Ich auch.
Josef: Bora, es ist mir eine Ehre, dich zu
kennen.
Bora: Alles was gro§ ist, zerfŠlltÉ Aber unsere
Freundschaft darf nie zerfallen. Trinken wir auf die gro§en Dinge.
Sladka: Auf die gro§en Dinge trinke ich auch.
Josef: Ohne Freundschaft ist diese Welt fŸr
die WŸrmer. Ich verstehe sie sowieso nicht mehr. Aber von Freundschaft verstehe
ich etwas. Daran halte ich mich fest.
Zeko: Ich hab zuletzt mit einem Tschechen
gearbeitet. In einer Kunsttischlerei [= at a cabinetmakerÕs]. Da hat so ein
Wurm Anzeige [= to file charges] erstattet, dass da Schwarzarbeiter beschŠftigt
[= employed persons doing illicit work] werden. Der Chef musste fŸr eine Weile
die Werkstatt [= shop] zusperren. Da habe ich Pavel zum Bahnhof begleitet, wo
die Busse nach Brno abfahren. Wir tranken eine Flasche Fernet zusammen,
schauten auf die Busse und da sagte mir Pavel: (ahmt seinen Akzent nach)ãSchau wie
viele Busse kommen. Tschechen und Slowaken kommen nach …sterreich. Sie reisen
jetzt viel und aber im GepŠck haben sie Werkzeug. Man reist nicht mehr um die
Welt zu sehen. Man kommt hier arbeiten, reparieren. Ist das normal? Kaputt ist
das. Die Welt ist kaputt. Deswegen fŠhrt man immer mit Werkzeug.Ò
Josef: Trinken ist schŠdlich [= harmful],
Rauchen ist schŠdlich, Arbeiten ist schŠdlich. Wie viele von unseren Kollegen
haben sich schon kaputt gearbeitet. Und unser bester Freund ist sogar dabei
gestorben.
Sladka: Ihr MŠnner kšnnt nur jammern [=
complain, coll.]. Wenn ihr schlaft, hab ich euch am liebsten, denn vom Leben
versteht ihr nichts.
Bora: Schau, wie gescheit man in einer Putzerei
werden kann.
Sladka: Ja, weil man ununterbrochen [=
constantly] mit eurem Dreck [= filth] zu tun hat.
Zeko: Wisst ihr, wen ich hier am Anfang am meisten
beneidet habe [= I envied most]? Die Stra§enkehrer [= road sweepers]. In ihren
orangen Uniformen leuchten sie wie aufgehende Sonnen [= rising sun]. An ihren
HŠlsen glŠnzen goldene Ketten, an ihren Fingern Goldringe. In ihren Mundwinkeln
[= in the corner of the mouth] glŸhen [= glow] Zigaretten. Was glaubt ihr,
haben die Polizisten im Lager geraucht? Hobby, Falk, Flirt und so einen Scha§
[= Schei§]. Und die Stra§enkehrer? Marlboro und Camel. Sie waren fŸr mich wie
von einem anderen Stern. Sie waren Zauberer. Sie sammelten MŸll der sich in
Gold verwandelte [= turn into]. Am liebsten wollte ich mich hinlegen, um von
ihnen weggekehrt [= to sweep] und wiederverwertet [= recycled] zu werden.
Josef: Mittlerweile wei§ ich nicht richtig,
was blšder ist, das Leben oder der Tod.
Virgil: (beugt sich aus dem Sarg) Die blšden
seid ihrÉ Existenz bedeutet auf etwas verwiesen zu sein, und zwar definitiv
ohne mšglichen AbschlussÉ Menschen leben, weil sie geboren worden sind, und
nicht von Verstand und Wahrheit.
Zeko: Virgil, du bist tot. Leg dich wieder
hin.
Virgil tut es.
Bora: Wollten wir nicht, dass Nikodim es in
dieser Nacht so hat, wie er es auch zu Lebzeiten [= in his lifetime] gern
hatte?
Zeko: NatŸrlich.
Bora: Da fehlt aber was ganz Wichtiges. Merkt ihr
es nicht?
Josef: Sag schon. Mach es nicht so spannend.
Bora: (klopft mit einer Gabel auf ein Glas) Musik!
Josef: Stimmt. Er hat immer gern Musik
gehabt. Wie konnten wir das vergessen.
Bora: Ihn ohne Musik gehen zu lassen wŠre
schlimmer als Verrat [= treachery].
Josef: Bravo, Bora! Ich spŸre schon, wie er
sich freut in mir. Wir sollen
unverzŸglich ein paar Musiker holen.
Zeko: (telefoniert per Handy) Ja im Sechzehnten.
Nehmt ein Taxi und kommt schnellÉ Es geht um Leben und Tod [= ItÕs a matter of
life and death.]. (steckt sein Handy wieder in die Tasche) Sie
sollten heute eigentlich in einer Sauna auftreten, nur mit ihren Instrumenten
bekleidet, aber sie haben sich entschlossen, lieber bei uns zu schwitzen.
Bora verschwindet unauffŠllig.
Alle: Bravo, Zeko!!!
Sladka: Gottes Wege sind unergrŸndlich [= God
moves in mysterious ways.]. (schminkt sich die Lippen) Wo ist
eigentlich Bora hingegangen?
Josef: Keine Ahnung.
Josef: (zu Zeko) Bist du jetzt im
Show-Business, dass du Musiker kennst?
Zeko: Sie leben seit zwei Wochen bei mir. Vorher
haben sie auf der Stra§e gespielt und irgendwo im GebŸsch [= shrubbery]
Ÿbernachtet. Ich habe sie gehšrt und gleich mit nach Hause genommen.
Josef: Zeko, du bist ein guter Mensch. Ich
hŠtte so was nie gemachtÉ HŠtte mich sogar beinahe mit Bora geschlagen. Ich bin
kein guter Mensch, aber hier (klopft sich auf die Brust) habe ich
Platz genug fŸr noch ein paar gute Seelen. Ich werde noch viele gute Seelen in
mir sammeln, so wie die Stra§enkehrer, und sie wieder verwerten [= to recycle].
Ich werde dann niemand sein. Ich habe ein gro§es BedŸrfnis [= the need] niemand
zu sein. Denn kaum ist der Mensch wer, wird er schon bšse.
Zeko: Du hast auch einen guten Kern, Josef.
Josef: Ich bin jetzt niemand. Beachtet mich
einfach nicht [= donÕt pay any attention to me]. Tut so, als ob ich gar nicht
da wŠre.
Sladka: Eine der besten Entscheidungen heute
Nacht.
Zeko: Du erinnerst mich an eine Schauspielerin aus
einem alten franzšsischen Film.
Sladka: Dass der Film franzšsisch ist gefŠllt
mir, aber muss er denn unbedingt alt sein?
Zeko: Die alten Filme sind doch viel besser.
Sladka: Ist der Film tragisch?
Zeko: Eine gewisse Tragik hat mich schon immer angezogen.
Seien wir ehrlich. Du bist ein wenig traurig, ich bin ein wenig traurig. Dein
Herz ist ein wenig gebrochen, meins auch. Wenn man sie zusammen tut, kšnnte was
Ganzes, was Schšnes daraus werden.
Sladka: Was ganz schšn Trauriges, meinst du.
Zeko: Was ErfŸllendes [= sthg. fulfilling].
Sladka: Du bist Bulgare. Ich bin Bulgarin.
Warum glaubst du, bin ich von Bulgarien weggegangen?
Zeko: Um dein GlŸck zu finden.
Sladka: Weil ich die bulgarischen MŠnner satt
hatte [= to be fed up with].
Zeko: Hast du denn nicht bemerkt, wie ich dich
schon die ganze Nacht anstarre?
Sladka: War ich denn in einer der Flaschen
versteckt?
Zeko: Ich halte es nicht mehr aus. Ich muss dich
kŸssen, deinen Kšrper berŸhren, sonst drehe ich durch. Du allein kannst mich
retten.
Er versucht sie zu kŸssen, bekommt eine Ohrfeige [= to
slap so.].
Sladka: Niemand darf mich einfach so kŸssen.
Josef: Ich bin niemand (Josef springt auf
und gibt ihr einen Kuss, bekommt auch eine Ohrfeige) Wie?!! Du hast mich
doch gerufen.
Sladka: Ihr solltet euch schŠmen [= you should
be ashamed of yourselves]. Ihr seid hier, um Ÿber euren toten Freund zu wachen.
Und was macht ihr?
Zeko: Was sollen wir tun, wenn das Leben viel
interessanter ist.
Zekos Handy lŠutet. Er hebt ab.
Zeko: Ich mach euch aufÉ Die Musiker sind da.
(steht auf, verlŠsst den
Raum)
Musiker: Guten Abend.
Sladka: Guten Abend.
Die
Musiker sehen den Sarg, bekreuzigen sich und legen die Blumen auf Virgil.
Trompeter: Unser Beifall [= applause].
Zeko: Es hei§t Beileid [= condolence].
Akkordeon: (zu Trompeter) Ich hab
dir doch gesagt.
Zeko: Kommt, trinkt zuerst was.
Josef: (kommt unter dem Tisch hervor) Spielt mir
was!!! Die Musiker beginnen zu spielen. WŠhrend sie spielen, erscheint Bora.
Bora: †berraschung.!!!
Eine
junge Frau kommt herein, sie trŠgt einen Rucksack auf dem RŸcken.
Bora: Nadeshda aus der Ukraine. Akademikerin.
Ich wollte das Niveau ein wenig heben [= to raise the level].
Zeko: Wir sind heute Nacht auf viele
unentwirrbare [= inextricable] Fragen gesto§en. Sie kšnnen uns sicher helfen.
Bora: (zeigt auf Nikodim) Das ist
unser Gastgeber [= our host].
Sladka: (zu Nadeshda) Und was
haben Sie studiert, wenn ich fragen darf?
Nadeshda: Internationale Beziehungen.
Sladka: Wie interessant.
Zeko: Bora, du bist ein Genie. Du wei§t immer
genau, was gut fŸr die Seele ist.
Josef: Trinken wir auf Bora! (alle trinken)
Bora: Die wahre †berraschung kommt erst noch. Ihr
werdet staunen.
Sladka: Arbeiten Sie hier im UNO-Viertel?
Nadeshda: Wie denn? Ich tue mal dies, mal das,
um mich Ÿber Wasser zu halten [= to keep oneÕs head above water]. Es ist doch
besser hier ein paar Stiegen zu waschen als in der Heimat zu unterrichten. Sie
wissen doch wie das ist.
Sladka: Aber sicher, SchŠtzchen. Ich tue auch
mal dies, aber sicher nicht das. (seufzt)
Nadeshda: BoraÉ (flŸstert) hat mir
versprochen, sich von seiner Frau zu trennen. Und demnŠchst wird er mir Arbeit
in seiner Firma verschaffen. Ich glaube, er ist Bauunternehmer [= building
contractor].
Sladka: (lacht) Ja, ein Nehmer ist
er.
Bora: Jetzt kommt die gro§e †berraschung. (zu
den Musikern) Meine Herren, darf ich um Musik bitten. (schickt
Nadeshda raus)
Josef: Darf ich mir was wŸnschen?
Musiker: Bitte, Chef.
Josef: Ich will, dass ihr eine Nummer spielt
mit Melodien aus allen LŠndern, durch die die Donau flie§t. Angefangen mit
…sterreich, natŸrlich. Ich liebe die DonauÉ Ich wollte mich in sie werfen. Sie
hat mich immer verstanden.
Musiker: Kein Problem, Chef.
Die
Musiker beginnen zu spielen. Charon taucht auf, mit Nadjas Rucksack in der Hand.
Er durchquert das Zimmer und geht in den Waschraum links. Er beginnt den
Rucksack auszupacken. Vom Zimmer rechts erscheint Nadja als Stra§enkehrer in
orange gekleidet und beginnt zu tanzen.
Alle
pfeifen, klatschen. Sie zieht langsam ein StŸck nach dem anderen aus.
Nadja hat
nur noch UnterwŠsche an, als die Musiker ein rumŠnisches
StŸck zu
spielen beginnen. Da wacht Virgil auf, springt aus dem Sarg und
beginnt
zu singen und zu tanzen.
Virgil: Ich bin im Himmel. Das ist paradoxal.
Die Musiker erstarren, einer greift nach seinem Herz,
ringt nach Luft. Nadja schreit auf und fŠllt in Ohnmacht. (Pause)
Virgil: Warum hšrt ihr auf? Habt ihr ein
Gespenst gesehen, oder was?
Sladka lacht. Zeko und Josef stŸrzen sich auf die
bewusstlose Nadja.
Josef: (Legt seine HŠnde auf ihre BrŸste) Ihre Seele
ist noch da, das spŸre
ich.
(Zeko beginnt Nadja kŸnstlich zu beatmen)
Nadja: (kommt zu sich) Wo bin ich?
Virgil: Im Himmel.
Nadja: (schaut sich um, zu Josef) Sind Sie
…sterreicher?
Josef: Und was fŸr einer.
Nadja: Gott sei Dank. Ich hatte immer Angst,
dass ich in den Migrantenhimmel komme.
Virgil: Theoretisch sind dort alle nur
Migranten.
Sladka: Sie sind in Ottakring, Panikengasse.
Weit, weit weg vom Himmel entfernt.
Nadja: Wieso? Was macht ihr da Ÿber mir?
Josef: Ihre Seele wollte weg.
Zeko: Wir haben sie zurŸckgeholt [= brought her
back]!!
WŠhrenddessen holt Virgil Geld aus der Tasche und
klebt es auf die Stirnen der Musiker. Sie bekreuzigen [= make the sign of the
cross] sich und nehmen das Geld in dieser Bewegung von der Stirn.
Virgil: Spielt weiter die rumŠnische Nummer.
Ich bin nicht beleidigt. Es ist všllig in Ordnung, dass ihr an meiner Existenz
zweifelt.
Trompeter: Sind Sie tot?
Virgil: Total..
Musiker (zu Bora) Chef, wir kšnnen
nicht weiterspielen, wenn wir nicht genau wissen, wer hier tot ist und wer
nicht.
Bora: Wieso ist das so wichtig?
Akkordeon: Ganz wichtig fŸr unsere Seelen.
Bora: (zeigt auf Nikodim) Der hier
ist der Tote. Er sitzt mit uns und feiert.
Nadja (neu erschreckend): Und ich
dachte, er ist einfach cool und hat eine interessante Ausstrahlung [= charism].
Sladka: Die meisten MŠnner werden erst nach dem
Tod interessant.
Alle Musiker gehen zu dem Toten.
Musiker: Ich hab doch gesehen wie er mitgesungen
hat.
Musiker: Die meisten Leute, die wir kennen,
schauen viel toter aus.
Musiker: (blŠst einen Ton in Nikodims Ohr) .
Musiker: Ist jetzt klar wer hier tot ist?
Musiker: Ja.
Musiker: Jetzt brauche ich was zu trinken.
Charon
hat aus dem Sack einige KostŸme herausgeholt. Darunter eine Polizeiuniform, ein
RotkŠppchengewand. Er hat sich gerade das KostŸm des Sensenmannes angezogen und
betrachtet sich in einem Spiegel.
Charon: Eine abartige [= abnormal]Vorstellung.
Virgil betritt den Raum und wŠscht sich das Gesicht.
Virgil: Passt dir gutÉ Gehšrst du auch zur
Show?
Charon: Ich gehšre zu jeder Show.
Virgil: Du musst aber noch an deiner
Ausstrahlung [= charism] arbeiten. Wirkst sehr verkrampft [= inhibited]É Kenne
ich dich nicht von irgendwoher?
Charon verneint mit dem Kopf.
Virgil: Du bist nicht sehr gesprŠchig [=
talkative]. Du musst kommunikativer werden, sonst bekommst du zu wenig
Trinkgeld [= the tip].
Charon: Ich bekomme immer meinen Teil.
Virgil: MŠnnerstrip ist nicht ganz meines,
aber ich halte dir die Daumen. Toi Toi Toi.
Virgil
geht zu den anderen. Charon zieht sein KostŸm aus.
Bora: Nadja, du bist dran!!!
Zeko: (zu Nadja) DŸrfte ich Ihre
Uniform anziehen? Das war schon immer ein Traum von mir.
Bora: Nadja, mach lieber weiter!
Nadja: Mir ist irgendwie die Lust vergangen.
Bora: Dann bekommst du auch nicht die volle
Gage [= salary]!
Nadja: Doch, als EntschŠdigung [=
compensation]. Du hast gesagt, ich soll es fŸr einen Toten machen. Und was war?
Ich wŠre fast selber draufgegangen [= to die, coll.].
Zeko: (hat inzwischen die
Stra§enkehreruniform angezogen und betastet den Stoff) Ein echter
Stra§enkehrer. Es fŸhlt sich so gut an.
Bora: Nadja, da sitzt unser toter Freund und
wartet .. Soll er denn eine Ewigkeit auf dich warten?
Nadja: OK, aber ich brauche vorher etwas zu
trinken.
Bora: Morgen schon liegt die Erde Ÿber ihm und
versperrt ihm die Sicht auf all die schšnen Dinge. Ganz allein wird er sein in
einer feindlichen, herzlosen Umgebung.
Charon schleicht sich wieder davon.
Nadja: Unter einem Baum begraben werden [= to
be buried], das wŠre was. Unter einer Birke [= the birch]. Wenigstens einmal
hoch hinauf steigen.
Bora: Jetzt tanz endlich oderÉ
Nadja: Na gut, aber du musst was extra
zahlen.
Josef: Ich zahle gern was extra.
Virgil geht in den Waschraum, sieht aber nur die
unterschiedlichsten KostŸme Ÿber den Boden verstreut. Er zieht sich die
Polizeiuniform an. Die Musiker beginnen zu spielen, Nadja zu tanzen. Virgil
erscheint, in Polizeiuniform.
Virgil: Passkontrolle!
Nadja und die Musiker zucken zusammen. Sie wollen
fliehen.
Josef: Die Kiberer [= Polizist, coll.] werden
heutzutage immer penetranter. Klopfen nicht mal an, haben nicht mal mehr
Respekt vor dem Tod.
Bora: Das ist doch unser Freund Virgil.
Virgil: Ich bin ein Organ der Macht. Ohne mich
funktioniert keine Gesellschaft. Sogar die Demokratien brauchen mich. Das ist
paradoxal.
Zeko: Wolltest du nicht lieber tot sein?
Virgil: Darf ich jetzt um eure PŠsse bitten.
Eure Gesichter sagen mir nichts. BŸrgerin Nadja, kšnnen sie mir bitte ihre
Papiere zeigen.
Bora: Geh Virgil, leg dich lieber wieder in deinen
Sarg.
Nadja: (Spa§ machend zu Virgil) Ich hab
sie leider vergessenÉ
Virgil: Dann kommen Sie bitte mit. (beide
gehen hinter den Vorhang links)
Nadja: Und was werden Sie jetzt mit mir tun?
Virgil: Ich werde mich mit Ihrem Fall
beschŠftigen [= IÕll deal with your case].
Nadja: Kšnnen Sie nicht ein Auge zudrŸcken?? [= turn a blind eye to it]
Virgil: Unmšglich. Sie sind ein zu schšner
AnblickÉHŠnde und FŸ§e auseinander. Ich muss Sie durchsuchen [= I have to
search you]. (beginnt sie zu durchsuchen)
Nadja (empšrt): Aber Sie sind ein
Mann!!
Virgil: Das sind nur die Arme des Gesetzes.
Nadja: (lacht) Es kitzelt.
Sladka: (ruft rŸber zu Nadja) In diesem
Land sind Titel sehr wichtig. Sie mŸssen Ihren unbedingt in den Pass eintragen
lassen. Dann werden sie sofort auch anders behandelt. Sind Sie Magister oder
schon Doktor?
Nadja: Ich schreibe gerade meine
Dissertation.
Sladka: In welchem Fach?
Nadja (lacht):
Kulturanthropologie.
Zeko: (auf Virgil anspielend) Ich wollte
immer schon wissen, warum der Affe Mensch geworden ist. Ist ihm langweilig
geworden?
Nadja: Wonach suchen sie eigentlich?
Virgil: Nach ein wenig Zuwendung [= care].
Nadja: Was bedeutet das Wort. Ich kenne es nicht.
Virgil: Es ist etwas, das vorwiegend Hunde und
Katzen bekommen.
Bora: Was machst du so lange? (wird ungeduldig
und kommt zu den beiden) Komm jetzt! Weiter tanzen!!
Virgil: Sie stšren meine Untersuchungen.
Bora: (droht) Virgil, jetzt
reichts!!!
Nadja und Bora gehen zum Tisch, Virgil folgt nach.
Nadja: Was bedeutet Zuwendung?
Bora: Keine Ahnung. Hab das Wort nie gebraucht.
Sladka: Sein Deutsch hat gro§e LŸcken. Pass
auf, SchŠtzchen, man kann da leicht hineinfallen und sich alles Mšgliche
verletzen.
Josef: (zu den Musikern) Burschen,
spielt mir was saumЧig DonaumЧiges. Ich will die kŸhle Stršmung spŸren, die
stummen Fische sehen. Ich liebe die Donau. Sie umarmt jeden, den das Leben
beleidigt hat. Ich wollte mich mal in sie werfenÉ Ich will meine Leiche bis ins
Meer treiben sehen. An allen StŠdten vorbei, die ich nie besuchen konnte. Ich
will a bissl [= ein wenig] weinen. Denn sterben will ich nicht mehr. Ich muss
mich, um Nikodims Seele kŸmmern.
Zeko: Die Donau ist trŸb und unermesslich wie der
Kummer eines Proletariers.
Bora: Ja, Nikodims GlŸck dauerte kŸrzer als seine
Aufenthaltsbewilligung. Das ist eine Sauerei.
Macht den Musikern ein Zeichen. Sie spielen etwas
Elegisches.
Nadja: Ob seine Seele noch da ist. Oder ist sie
schon bei den Sternen?
Josef: Vielleicht wird aus Nikodim ein Engel.
Ein Engel der Bauarbeiter. Dann beschŸtzt er uns auf der Baustelle und wir
erreichen alle wohlauf die Pension.
Virgil: Ausgeschlossen, Chef. Aus keinem
Menschen wird ein Engel.
Zeko: Wieso bist du dir so sicher?
Virgil: Pure Logik. †berlegt euch: Wie viele
Menschen wollen nach Europa? Sehr viele, nicht wahr? Aber um wie viele mehr
wollen in den Himmel! Ihr kennt die Gesetze hier. Wenn sie schon hier so streng
sind, wie werden sie es erst dort sein. Man wird sicher wieder irgendwelche
Papiere vorweisen mŸssen [= have to produce documents], um als Engel
anzufangen. Es wird so Šhnlich wie mit der Arbeitsbewilligung [= labour permit]
sein. Um eine zu bekommen, brauchst du eine Arbeit. Aber um eine Arbeit zu
bekommen, brauchst du eine Arbeitsbewilligung. Das ist paradoxal.
Bora: Wir haben ja NikodimÉ Komm Nadja, gib ihm
doch einen Kuss.
Nadja: Jede Branche hat ihre Grenzen.
Bora: Sei nicht so zimperlich.
Nadja: Tote kŸsse ich nicht und basta.
Bora: Nur ganz leicht, auf seinen Schnurrbart.
Der lebt ja noch. Wird auch weiter wachsen und wachsen und den Sarg sprengen
und weiter bohren bis er die Haare eines anderen berŸhrt, damit er nicht einsam
ist.
Zeko: Oder er wŠchst und wŠchst und verhŸllt
seinen Kšrper wie einen Schlafsack, damit er es wieder warm hat, wieder trŠumen
lernt und in aller Ruhe entscheiden kann, was er diesmal werden wird.
Virgil: Aufgrund eines seiner Haare wird man
spŠter sein ganzes Leben bis zum heutigen Tage rekonstruieren kšnnen. Woher er
gekommen ist, wohin er gegangen ist und wo ihn der Tod ereilt hat. Diese
Methode nutzen wir teilweise schon bei der Polizei.
Sladka: Das haben schon alle Hexen gewusst. Du
bringst ihnen ein Haar, oder einen Nagel und sie kšnnen sofort einen Zauber
machen. Einen guten oder einen bšsen. (zu Bora) Von dir sind mir
einige Haare geblieben.
Nadja: Wird man auch sagen kšnnen, wie oft er
glŸcklich war?
Virgil: FŸr GlŸck ist die Polizei nicht
zustŠndig.
Bora: (zu Nadja) Willst du ihm
jetzt nicht einen Kuss geben?
(KŸsst den Toten. Josef auch.)
Zeko: Wenn der Schnurrbart dich stšrt, dann
rasieren wir ihn eben ab.
Josef: Nur Ÿber meine Leiche.
Nadja: (steht auf) Ich muss mal. (verlŠsst
den Raum)
Zeko: (stŸrzt plštzlich auf Sladka zu) GebŠre
mich wieder. DrŸck mich an deine Brust, begleite meine ersten Schritte.
Sladka: (trocken) Ich hab schon ein
Kind. Das reicht mir.
Zeko: Lass mich an deiner Brust saugen, KrŠfte
sammeln fŸr das Gro§e, das wir noch erleben werden.
Sladka: Es ist weder der richtige Ort, noch
der richtige Zeitpunkt! Wir sind bei einer Totenwache.
Josef: Jemand von uns ist tot, aber ich hab
vergessen, wer. Das bedrŸckt mich
[= depresses me] sehr. Ich bin es, glaub ich nicht. Erinnert ihr euch
vielleicht, wer es ist?
Virgil: Ist nicht so wesentlich.
Josef: Bist du es Bora?
Bora schmust [= to snog] gerade mit Nadja. Die Musiker
schauen amŸsiert zu.
Sladka: Schšn wŠre es.
Josef: Lebt er noch?
Sladka: (sauer) Siehst du nicht? Er
ist unsterblich verliebt.
Zeko: Kann sein, dass ich der Tote bin. Denn mein
Leben ist fŸr den MŸll. Das kann man kein Leben nennen. Ohne Sex!
Josef: Ich muss dir sofort die SchuhbŠnder
ausziehen, damit sich deine Seele nicht in dieser ungerechten Welt verfŠngt. (beginnt
Zeko die SchuhbŠnder zusammenzuknoten)
Virgil: Moment bitte! Die Sache mŸssen wir
kriminalistisch angehen. (zu Zeko) Haben Sie einen Lichtbildausweis [=
ID] bei sich? Pass, FŸhrerschein etc.
Zeko: Nein.
Virgil: Kšnnen Sie mir vielleicht ihre
Versicherungs- [= insurance policy nb.] oder Steuernummer [= PPS-nb.] sagen?
Zeko: Nein.
Virgil: Der Herr hat eindeutig keine Beweise
fŸr seine Existenz.
Zeko: Aber ich glaube, ich kann noch denken.
Virgil: Glauben Sie, oder denken Sie?
Zeko: Ich denke.
Virgil: HmÉ Dieser Beweis gilt hier nichts.
Josef: Entspann dich, Zeko. Ich denke fŸr dich
mit.
Bora: Was redet ihr da fŸr Blšdsinn. Nikodim ist
gestorben, nicht er.
Josef: Ach ja, jetzt erinnere ich michÉ Der
Tod ist so undurchsichtig [= opaque], ich verliere mich da jedes Mal.
Zeko: Wie oft muss ich heute Nacht noch scheitern
[= to fail]?
Josef: Komm Zeko, sei nicht enttŠuscht. Leb
noch ein bisschen weiter, einfach so. Ist gar nicht so schwer. Man macht
morgens die Augen auf und es geht schon.
Zeko: Na gut, wenn du es sagst.
Virgil: Lass ihn doch tot sein, wenn er will.
Mich hat der Tod komplett verŠndert. Ich kann den Sarg jedem nur wŠrmstens
empfehlen [= strongly recommend].
Bora: Halt die Klappe [= shut up], Virgil.
Virgil: Der Tod ist auch nur eine
VerŠnderung. Und der Mensch braucht VerŠnderungen.
Nadja: Das ist die bescheuertste [= stupid,
coll.] MŠnnerrunde die ich je erlebt habe. (zu Josef) Was glotzt du mich so an [= Why are you look at me like that?
coll.]?
Josef: Da ich jetzt fŸr zwei leben muss, habe
ich ein Leben zu viel. Es steht schrecklich leer da. Sie kšnnen eines haben.
Steht voll zu Ihrer VerfŸgung.
Nadja: Und wie?
Josef: Kommen Sie, ich zeige es Ihnen. (Geht
unter den Tisch. Sie folgt ihm.) Nikodim, das alles
tue ich nur fŸr dich! (Man hšrt sie darunter kichern.)
Sladka: Die haben es aber lustig.
Bora: Er hat wahrscheinlich noch nicht den Preis
gehšrt.
Zeko: (hebt die Tischdecke von einer Seite und
guckt darunter) Was fŸr Sex ist das, bitte schšn?
Josef: Schleich dich [= f... off].
Zeko: (geht zu Sladka) Sollen wir nicht
auch da runter gehen?
Sladka: Geh doch, wenn du willst.
(Zeko geht unter den Tisch. Die Musiker machen sich
auch bereit unter
den Tisch zu gehen.)
Sladka: (zu Bora) Ich habe irgendwie
das GefŸhl, dass deine neue Freundin ein Flittchen [= tart] ist.
Bora: Dich frisst nur der Neid [= youÕre just
jealous, coll.].
Zeko: É Aua (Zeko kommt raus und hŠlt sich das
Auge. Die Musiker Ÿberlegen es sich und nehmen lieber wieder ihre Instrumente.)
Nadja: Zuerst das Geld.
Josef: Ich hab nur einen Zwanziger mit. Der
Rest ist fŸr den Kranz draufgegangen [= spent it on the wreath, coll.].
Nadja: Ohne Geld lŠuft gar nichts.
Virgil: Letztendlich scheitert alles am
Kapital. Die Wirtschaft wird uns immer betrŸgen.
Josef kommt langsam raus, zŸndet sich eine Zigarette
an.
Josef: (zu den Musikern) Spielt mir was
DonaumЧiges.
Die Musiker beginnen etwas Elegisches zu spielen.
Josef steigt in den Sarg, nimmt die zwei gro§en Kerzen, die links und rechts
stehen und beginnt zu rudern.
Virgil: Wir steigen in denselben Fluss und
doch nicht in denselben, wir sind es und wir sind es nicht.
Josef: Wir sind es nicht.
Bora: Wenn ich sterbe, lasse ich mich verbrennen
und ihr sollt meine Asche im Stadion von Partisan Belgrad verstreuen.
Nadja kommt unter dem Tisch hervor und beginnt ihre
Sachen zu packen.
Sladka: Wohin gehst du?
Nadja: Hier wird es mir langsam zu schrŠg [=
weird].
Sladka: Bleib doch, es ist doch so lustig.
Nadja: Wenn er auch seine Frau eingeladen
hŠtte, wŠre es noch lustiger.
(geht zu Nikodim und gibt ihm einen Kuss) Den hast
du dir verdient, weil du der Normalste hier bistÉ Und leg ein gutes Wort fŸr
mich ein, falls jemand zuhšrt.
Bora: Du gehst nirgendwo hin. (ergreift ihre
Hand)
Nadja: Lass mich!
Bora: Du bleibst hier und basta.
Nadja: Du tust mir weh.
Bora: Hast du noch nie von der Diktatur des
Proletariats gehšrt?
Nadja: Was willst du von mir?
Bora: Komm!
Beide gehen in den Waschraum links.
Nadja: Ihr habt was miteinander gehabt, nicht
wahr?
Bora: Das ist unwichtig.
Nadja: Du liebst sie noch. Sie liebt dich
nochÉ Ich habe hier nichts zu suchen.
Bora: Sie ist fŸr mich gestorben. Alle sind fŸr
mich gestorben. Es gibt nur dich.
Nadja: Du hast mich die ganze Zeit angelogen, nur
angelogen. Ich will jetzt gehen.
Bora: Du hast meine Seele wieder gefŸllt. Ohne
dich war sie leerÉ Sie hat mein Herz gekaut [= to chew] und mein Blut gesaugt
[= to suck].
Nadja: Warum quŠlst [= to torment] du mich so?
Josef: Ich wollte immer schon wissen, wie es
sein wird, wenn ich eines Tages tot bin.
Zeko: Und?
Josef: Ich werde rudern und nirgendwo
ankommen.
Zeko geht inzwischen unter den Tisch.
Virgil: Es wird aber keine Ruder geben.
Josef: Wieso das?
Virgil: Weil es auch kein Ufer gibt.
Josef versucht sich im Sarg auszustrecken.
Josef: Sehr unbequem. Eine sehr unbequeme
Angelegenheit dieser Tod.
Ich steige wieder an Land. (steigt aus dem Sarg)
Zeko: (zu Sladka) Liebst du mich?
Sladka schreit auf, weil Zeko unter dem Tisch ihre
F٤e ergriffen hat.
Sie tritt nach ihm. Zeko schreit. Bora und Nadja
kommen zu den anderen.
Zeko: (kommt hervor) Da ist
Ÿberhaupt keine Freude mehr zu finden. Nur unendliches Leid.
Virgil: Das stimmt. (betastet sein
angeschwollenes Auge) Jemand hat mich heute Nacht verprŸgelt [= I
was beaten up], und ich wei§ nicht mal wer, geschweige denn warum.
Jemand klopft aufdringlich an der TŸr.
Bora: Sicher einer der Nachbarn. Ich werde
das regeln.
Josef: Ich regle das. Es ist meine Aufgabe, denn ich
bin Wiener und …sterreicher. Deswegen kenne ich mich mit allem was sich hier
zwischen Geburt und Tod abspielt am besten aus. Ihr bleibt einfach ruhig
sitzen. Nicht mal der Schei§tod hat es geschafft, uns die Laune zu verderben [=
to rain on our parade]. Jetzt lass ich nicht zu, dass ein Nachbar das tut.
(geht hinaus)
Sladka: Ob er es
schafft?
Musiker: Wenn
Polizei kommt, nicht gut fŸr uns.
Drau§en
hšrt man ein paar Schreie.
Bora: Keine
Sorge. Er ist sehr begabt.
Sladka: Schaut
nicht gut aus.
Josef taucht mit einem breiten LŠcheln im Gesicht auf.
In seiner rechten Hand ein kŸnstliches Gebiss.
Josef: Ich hab die Sache elegant gelšst. (Schaut
auf das Gebiss und bewegt es wie ein Puppenspieler.) To be or not to beÉ
Es war der Nachbar von nebenan. Ein Wahnsinn [= unbeleivable, coll.] wie alt
manche Menschen werden. Hat die ganze Zeit gedroht die Polizei zu rufen. Soll
er sie rufen. Bin gespannt, ob sie ihn jetzt verstehen kšnnen. (wirft das
Gebiss in den Sarg)
Bora: Bravo Josef, besser hŠtte man es gar nicht
machen kšnnen!
Sladka: An dir ist ein richtiger Diplomat
verloren gegangen.
Josef: Nicht der Rede wert [= DonÕt mention
it.]. Ich hab nur ein GespŸr [= a feeling] fŸr Menschen und fŸr Material, das
ist alles.
Zeko: Und ich hab das dringende BedŸrfnis [= the
need] auf Josef zu trinken! Es lebe Josef! Ein kolossaler Freund und
anthropologischer Chef!
Alle trinken auf Josef.
Zeko: (zu den Musikern) Burschen, spielts
was Lustiges! Ich hab Lust zu tanzen.
Die Musiker beginnen zu spielen. Einer nach dem
anderen beginnen alle zu
tanzen. Zeko springt auf den Tisch und tanzt dort
weiter.
Bora: Stopp!! Moment mal! (Die Musiker hšren
auf.) Wir sollten uns schŠmen.
Zeko: Warum denn?
Bora: Merkt ihr denn gar nichts?
Josef: Haben wir was falsch gemacht?
Bora: Noch schlimmer. Wir haben etwas ganz
Wichtiges vergessen. Das Wichtigste Ÿberhaupt. Sagt mal, wer von uns hat am
liebsten getanzt?
Josef: Nikodim?
Bora: Richtig. Und was machen wir? Wir tanzen da
herum und er sitzt ganz allein am Tisch. Was fŸr Freunde sind wir? Kann man uns
Ÿberhaupt Freunde nennen? Ich muss sagen, mir blutet das Herz. Man kann ihn
nicht einfach so den WŸrmern Ÿbergeben, ohne dass er ein letztes Mal getanzt
hat.
Josef: Mir persšnlich sind die WŸrmer immer
sehr unsympathisch gewesen.
Virgil: Wieso? Man muss sie gern haben. Sie
werden eines Tages unsere
Gedanken ersetzen.
Bora: Wir bilden einen Reigen und nehmen Nikodim
in unsere Mitte.
Zeko und Virgil heben Nikodim und halten ihn zwischen
sich fest. Die anderen verteilen sich auf beiden Seiten.
Bora: (zu den Musikern) Spielt seine
Lieblingsnummer.
Die Musiker beginnen zu spielen. Alle tanzen,
angefŸhrt von Sladka. Sie umkreisen einige Male den Raum und gehen dann durch
die TŸr rechts in den Nebenraum. Man hšrt das Poltern und die Musik. Bora und
Nadja kommen zurŸck.
Nadja: Du bist
verrŸckt. Du bist wirklich verrŸckt.
(Er zieht
sie mit sich in den Sarg und legt sich hin. Sie setzt sich auf ihn.)
Nadja: Und
wie lange soll es so weitergehen?
Bora: Ein Leben
lang. (zieht sie in den Sarg hinein, kŸsst sie)
In diesem
Augenblick kommt der Reigen, gefolgt von den Musikern, wieder in den Raum.
Pavlina
muss sich an den Tisch lehnen, damit sie nicht umfŠllt. Die Tanzenden machen ihr Zeichen, dass sie
sich zu ihnen gesellt.
Aus
Nikodims Westentasche fallen zwei MŸnzen und rollen Ÿber die BŸhne.
ENDE